Liebe Aikido Kinder, Jugendliche und Eltern, liebe erwachsene Aikidoka,
Da ja viele seit letzten Sommer dazu gekommen sind, hatte ich beschlossen euch nochmals ähnlich wie letztes Jahr über meinen Japan Aufenthalt zu schreiben. Denn ich möchte euch einen Einblick geben, was ich überhaupt in Japan so mache und was es bedeutet dort Aikido zu trainieren. Wer denkt, ich bin in einem Sportcamp, oder sogar in einem Hotel und fahre dann regelmäßig ins Aikido Training, der liegt falsch. Ich bin Uchideshi.
Uchideshi ist ein sehr traditionelles Japanischen Wort und bedeutet „Hausschüler“. Als Uchideshi wohnt man im Haus oder Dojo des Senseis, man ist kein Gast sondern man gehört zur Familie Senseis solange man da ist. Das bedeutet die Uchideshi versorgen sich zusammen selbst (jeden Tag kümmert sich ein anderer um das Essen für alle), sie halten die Räume und das Dojo sauber und instand und arbeiten für Sensei.
Ja, ihr habt richtig gelesen, Sensei ist nicht nur einer der weltweit bekanntesten Aikido Lehrer, sondern er stammt aus einer alten Bauernfamilie und versorgt seine Familie weitgehend selbst. Er hat mehrere Reisfelder, ein Buchweizenfeld, ein Weizenfeld und einen riesigen Gemüsegarten. Gleichzeitig hat er jede Menge Hühner, Hasen, Wachteln, er züchtet und verkauft Kyushu Hunde und Chiba Hunde. Die Uchideshi helfen täglich bei den zu verrichtenden Arbeiten mit.
Interessant ist, dass man mit vielen Menschen aus sehr verschiedenen Ländern der Welt zusammen lebt, trainiert und arbeitet. Im Moment sind jedoch nur ein Franzose, zwei Japaner und ich da, übermorgen kommt noch ein Amerikaner dazu.
Und so sieht ein Tag als Uchideshi aus:
Um 4.20Uhr klingelt der Wecker (nein, ich habe mich nicht verschrieben, damit man mit der Hitze besser zu Recht kommt stehen wir sogar gerne so früh auf). Man zieht sich schnell an, faltet seinen Futon (japanische Bett Matratze mit der man auf Tatami, den hier üblichen Reisstrohmatten schläft) und ist um 4.30Uhr bereit für die Arbeit. Einer kümmert sich um heißes Wasser für Tee und trifft schonmal Vorbereitungen für das Frühstück, alle anderen putzen zusammen oder fegen Laub, zwei Leute müssen noch einen Teil der Hunde ausführen. Dann ziehen wir uns fürs Training um und begeben uns zum Dojo. Das Gebäude in dem wir schlafen und essen und das eigentliche Dojo liegen so 500m auseinander. Dann gehen wir zum Dojo, putzen dort ebenfalls und jähten etwas Unkraut im Vorgarten des Dojos. Nun werden Sitzbänke für die Meditation vorbereitet, im Anschluss ist Zeit um sich fürs Training selbständig aufzuwärmen. Ab 5.45Uhr setzen wir uns alle und warten darauf, dass Sensei zur Tür hereinkommt. Mit einem „Ohayo gozaimasu“ wird er dann begrüßt, das heisst „Guten Morgen“. Sensei zündet Kerzen und Räucherstäbchen an, lässt die Klangschale ertönen und dann beginnt er shintoistische Gebete zu rezitieren. Keiner von uns Gaijin (Nichtjapaner) hat eine Ahnung, was für Gebete das sind, wir wissen nur, dass auch der Begründer des Aikido das so gemacht hat. Das dauert jeden Tag unterschiedlich lang, manchmal bis zu 20 Minuten. Dann beginnt die Meditation, hierbei soll man sich vor allem auf die Atmung und das Körperzentrum (Hara) konzentrieren. Auch die Meditation ist unterschiedlich lange, geht aber höchstens 16 Minuten. Und endlich beginnen wir mit Bukiwaza Training (Waffentraining). Normalerweise im Wald, einem Ort, der etwa 100m entfernt ist. Wenn man dort nach der Meditation hin läuft kommt man sich vor wie so ein Samurai, der zur Schlacht rennt, es geht zwischen Reisfeldern auf einem Weg entlang, dann über einen Bach und schließlich ist man dort und wartet bis man mit einem lauten „Onegaeshimasu“ das Training beginnt. Wir trainieren 1 Stunde lange sehr hart und unter strenger Aufsicht von Sensei und seinem Sohn, Waka Sensei, den ja einige von euch vorletzten September kennen gelernt haben. Bei einem Training in Senseis Dojo ist es sehr still und konzentriert man hört nur das laute Kiai und die recht lauten und forschen Korrekturen von Sensei. Wenn das Training vorbei ist können wir entweder noch frei trainieren, also Dinge die wir gelernt oder korrigiert bekommen haben nochmals wiederholen, oder wir müssen für Sensei arbeiten. Gerade hat er ein neues Stück Land gekauft, das er roden muss, weil es komplett mit Bambus zugewachsen war. Dabei helfen wir ihm.
Im Anschluss gibt es endlich das Frühstück um 9.00Uhr. Kaum zu glauben, dass man da schon mehr als 4,5 Stunden wach war. 🙂
Wenn das Frühstück vorrüber ist wird gemeinsam abgespült und es werden verschiedene kleine Aufgaben erledigt, wie Klos putzen, Müll wegbringen usw.
Dann hat man Freizeit, man kann machen was man möchte, bis es um 13.00Uhr das Mittagessen gibt. Im Anschluss gibt es nur manchmal noch Arbeit für Sensei zu tun, oft hat man aber Zeit um mit den anderen Uchideshi frei zu trainieren. Momentan bereitet sich z.B. einer der Japaner auf seine 1. Dan Prüfung vor, und der Franzose auf den 2.Dan und dabei dabei helfen wir ihnen. Aber auch ein Mittagsschläfchen ist drin, man muss jedoch immer wachsam sein, ob Sensei evtl. kommt und für irgend etwas Hilfe braucht.
Um 17.45Uhr brechen dann alle wieder auf um nochmals das Dojo zu putzen und alles für das Abendtraining vorzubereiten. Das beginnt dann um 19.00Uhr. Um 20.00Uhrendet das Training offiziell, die meisten Uchideshi trainieren dann aber noch bis 20.30Uhr weiter. Um 21.00Uhr gibt es Abendessen. Und im Anschluss….naja, manche sitzen dann noch und trinken was zusammen und unterhalten sich, die meisten gehen aber müde ins Bett, denn es sind ja dann auch nur noch ca. 6 Stunden Schlaf, bis der nächste Tag wieder los geht. 🙂
Jetzt wisst ihr so grob was ich hier für einen Tagesablauf die nächsten vier Wochen lang habe. Natürlich gibt es zwischendurch immer wieder tolle Momente, weil wir z.B. Sonntag abends gemeinsam Sushi essen gehen, oder weil Sensei uns zum Dank für die harte Arbeit was gekocht hat. Manchmal lädt mich Senseis Schwester zum Essen ein oder ich gehe mit ein par anderen Uchideshi in ein Sento, ein japanisches Bad um unseren Muskelkater zu pflegen.
Ich wünsche euch allen schöne ereignisreiche Ferien,
Euer Volker
Hallo Volker, Superbericht uns so anschaulich verfasst. Genau sowas suche ich in Japan, bin leider laengst nicht soweit vorgedrungen. Meinst Du, Du waerst so nett und würdest Dir Zeit nehmen, hierüber mit mir zu sprechen? Da waere ich Dir außerordentlich dankbar. Bis dahin Danke und beste Grüsse Alex
Hallo Alex, sorry, aber ich habe die Nachricht erst gerade gesehen, zumal die Internetseite fast einen Monat defekt war.
Kenn wir uns? Wo trainierst du? Um nach Iwama zum Trainieren zu können muss man schon eine Weile Dento Iwama Ryu Aikido trainiert haben.
LG Volker
Einfach ganz toll berichtest du, das ist schon anstrengend 4 Wochen lang, zu dienen… sich 4 Wochen intensiv mit sich und seinem Körper und Geist zu sein…..
.Ich warte schon auf deine weiteren Tagebucheinträge….
Eichen Dan hast du Volker???
Gibt es auch Aikidokurse für Anfänger 50+??
Hallo Heike,
Aikido kann körperlich fordern sein, aber auch förderlich. Ich bin auch 50 und es gibt einige über 50-jährige im Dojo. Wer jedoch noch nie Sport gemacht hat wird sich mit über 50 schwer tun mit Aikido einzusteigen, es ist koordinativ anspruchsvoll und man braucht gute körperliche Stabilität und auch etwas Flexibilität.
Ich bin 6.Dan, sogenannter Shihan. Ranghöchster und Vertreter unseres Aikido Stils in Deutschland.